„RETHINKING PLASTICS - 10 Rezepte für nachhaltigen Kunststoff“
Bringen Verbote von Kunststoffbesteck oder Plastiksackerl etwas, wenn deren Anteil am Müll nur im Promillebereich liegt? Kann man mit Ökobilanzen verlässlich die Auswirkungen auf die Umwelt berechnen? An welchen Schrauben muss gedreht werden, um zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft zu gelangen? Wie viel ist hierbei dem Konsumenten zumutbar? Solche und noch viele andere Fragen wurden bei der Veranstaltung RETHINKING PLASTICS – 10 Rezepte für nachhaltigen Kunststoff, die am 10.09.2019 in der Wirtschaftskammer stattfand, erörtert.
Ausgangspunkt für die Vorträge und Diskussionen bildete das 10-Punkte Maßnahmenpaket „RETHINKING PLASTICS – so wird Österreich zur Vorzeigeregion für nachhaltige Kunststoffkreisläufe“, das die Kunststoffindustrie im Frühjahr geschnürt hat und mit dem es gelingen soll, Kunststoffkreisläufe schrittweise zu schließen.
Dass Kunststoff kein Werkstoff ist, der sich einfach durch andere Materialien ersetzen lässt, sollte jedem bei der täglichen Verwendung des Mobiltelefons auffallen. Aufgrund seiner herausragenden Materialeigenschaften ist er in vielen Lebensbereichen die beste technische Lösung. Dass er bei einer ganzheitlichen Betrachtung auch ökologisch oft besser abschneidet als andere Materialien bewies Harald Pilz von denkstatt in seinem Vortrag über die Ökobilanz des Kunststoffkreislaufes. So wurde zB mithilfe einer Waage gezeigt, dass das vieldiskutierte Obstsackerl aus bioabbaubarem Kunststoff mehr als doppelt so schwer ist und somit mehr Ressourcen verbraucht als das herkömmliche, erdölbasierte. Nur eine mehrmalige Verwendung würde hier einen Ausgleich schaffen.
Dies war auch die Meinung von Markus Schopf von Borealis Polyolefine, für den Re-Use oder auch Re-Purpose der Königsweg ist, mit dem man mehr erreichen kann, als mit einmaligem mechanischem Recycling. Er rief dazu auf, gerade im Bereich der Kunststoffverpackungen keine faulen Kompromisse aufgrund von ökologischen Gesichtspunkten einzugehen. Denn häufig wird der eigentliche Zweck von Verpackungen – nämlich der Schutz und die Verlängerung der Haltbarkeit, wodurch Lebensmittelabfälle drastisch verringert werden können – übersehen.
Auch Roman Eberstaller von Sunpor Kunststoff kritisierte die oft zu einfachen Lösungen und hatte ein deutliches Beispiel parat: Auf die Frage, warum man nicht alle EPS-Dämmungen von österreichischen Häusern durch Schafwolle ersetzt, rechnete er vor, dass dafür jeder Österreicher 15 Schafe halten müsste. Er präsentierte eine Lösung für stoffliches Recycling von Wärmedämmungen.
Als Vertreter aus der Verpackungsindustrie sieht sich Manfred Stanek von Greiner Packaging aufgrund der materialwissenschaftlichen Kompetenz in der Verantwortung, nach Verbesserungen beim Design für Recycling zu suchen. Er wies aber auch darauf hin, dass jeder einzelne von uns sein Konsumverhalten ändern muss, damit Circular Economy nicht nur ein leeres Versprechen wird.
Auf Mehrweg als Lösung schwört auch Katharina Rhomberg von Fries Kunststofftechnik. Mit den Mehrweggetränkebechern „CupConcept“ ist dem Unternehmen ein wichtiger Schritt in Richtung Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft gelungen. Dabei kümmert man sich nicht nur um die Produktion, sondern auch um die Logistik und die umweltschonende Reinigung der Becher und bietet somit die Komplettlösung für jeden Veranstalter. Dass auch Mehrwegbecher noch Entwicklungspotenzial haben, zeigte die Geschäftsführerin mit einem Produkt, das sich aufgrund entstehender Luftwirbel während eines Wurfes selbst entleert und so Verletzungen vorbeugt.
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden offene Fragen mit Industrie, Politik und Medien erörtert. Simone Hoepke vom KURIER machte auf die Schwierigkeit der Presse aufmerksam, hochkomplexe Themen wie die ökologischen Vorteile von Kunststoff in Medien abzubilden. Dass das Thema öffentlich sehr präsent ist, erklärt sie mit dem Umstand, dass beim Plastiksackerl – wie beim Fußball – jeder mitreden kann.
Für Manfred Stanek von Greiner Packaging steht fest, dass die Kunststoffindustrie die öffentliche Diskussion verloren hat, auch weil man sich zu spät mit dem Thema Kreislaufwirtschaft befasst hat. Diese Meinung teil auch Harald Pflanzl von BASF. Das Wort „Plastik“ hat ein negatives Image, mit dem man Müllberge und tote Fische verbindet. Beide Geschäftsführer fordern, dass der Dialog mit den Stakeholdern proaktiver angegangen wird. Leonore Gewessler von den Grünen betonte, dass sie in der Substitution des Werkstoffes keine Lösung sieht, sondern in der Mehrfachverwendung. Ob das Plastiksackerl- oder Einwegkunststoffverbot nur eine populistische Maßnahme ist oder sehr wohl als kleiner Teil seinen Beitrag zur Müllvermeidung leisten kann, darüber waren sich die Diskutanten nicht einig. Harald Pflanzl verlangte einen ganzheitlichen Ansatz beim Thema Kunststoff und die Bereitschaft, dass man sich mit komplexen Botschaften auseinandersetzt. Fest stünde, Kunststoff sei zu wertvoll, um ihn einfach wegzuwerfen. Pflanzl fordert dabei von der Politik einen Rahmen, in dem Kunststoffinnovationen möglich werden. Als sinnvolleren Ansatz als Verbote sahen viele Anwesende ein europaweites Deponieverbot. Christine Hochholdinger vom Nachhaltigkeitsministerium sieht hierfür allerdings Schwierigkeiten in der Umsetzung. Sie ist jedoch – ebenso wie die Industrie - zuversichtlich, dass sich die Recyclingraten für Kunststoff in zehn Jahren mit denen für Glas vergleichen lassen. Abschließend wurde festgehalten, dass sich jeder einzelne sein Konsumverhalten vor Augen führen muss. Hierbei helfen bestimmt Vergleiche von denkstatt: Eine Tankfüllung eines PKW entspricht aus Sicht von Energie &Treibhausgasen 4000 Plastiksackerln. Ein Jahr Mineralwasser in PET-Mehrweg statt PET-Einweg spart 38km Autofahrt ein. Eine Flugreise nach Spanien entspricht 10 Jahren Verpackungskonsum.