Die chemische Industrie stellt einen äußerst heterogenen Industriesektor dar, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Verfahren und Prozesse.

Für den Betrieb entsprechender Industrieanlagen sieht der österreichische Gesetzgeber ein Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen vor. Die Betriebsanlagengenehmigung schafft dem Unternehmen Rechtssicherheit gegenüber Behörden und Nachbarn und erlaubt das rechtlich abgesicherte Arbeiten im eigenen Betrieb.

 

Da für die chemische Industrie eine Vielzahl von Rechtsmaterien im Bereich des Anlagenlagenrechts zur Anwendung kommen, zählt dieser Themenbereich auch zu den Arbeitsschwerpunkten des Fachverbandes.

Nachstehend finden Sie einen Auszug relevanter Rechtsgrundlagen im Bereich des Anlagenrechts:

  • Gewerbeordnung (inkl. nationale Umsetzung der EU Industrieemissionen-RL)
  • Abfallverbrennungsverordnung
  • Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF)
  • VOC-Anlagen-Verordnung
  • Feuerungsanlagenverordnung (FAV)
  • Emissionsschutzgesetz Kesselanlagen (EG-K)
  • Industrieunfallrecht (Gewerbeordnung und Industrieunfallverordnung)
  • Emissionszertifikategesetz (EZG)

Neben den nationalen Regelungen im Bereich des Anlagenrechts beschäftigt sich der Fachverband auf europäischer Ebene auch mit dem Konzept der „besten verfügbaren Technik“ (BVT).  Rechtsgrundlage dafür ist die europäische Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (zuvor die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung - IPPC-RL). Die besten verfügbaren Techniken werden für jede betroffene Branche in einem Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten, Industrie und Umweltverbänden erarbeitet und in BVT-Merkblättern (BREF) festgelegt.   

Für die chemische Industrie werden die besten verfügbaren Techniken aktuell in insgesamt acht branchenspezifischen BVT-Merkblättern definiert, die auf der Webseite des European IPPC Bureau (EIPPCB) abrufbar sind. Außerdem gelten für diesen Sektor noch weitere industrieübergreifende BREFs - wie z.B. Energieeffizienz, industrielle Kühlsysteme und Emissionen aus der Lagerung.  

Da sich die verfügbaren angewandten Techniken ständig weiterentwickeln, ist auch dieser Informationsaustausch über die BVT („Sevilla-Prozess“) ein dynamischer und kontinuierlicher Prozess. Der Fachverband beteiligt sich daher im österreichischen nationalen Arbeitskreis zum jeweiligen BVT-Merkblatt und arbeitet eng mit Cefic, dem europäischen Verband der chemischen Industrie, zusammen.

Die IPPC-Richtlinie der EU

IPPC steht für "Integrated Pollution Prevention and Control" oder deutsch für "Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU)".

Die IPPC-Richtlinie 96/61/EG sieht für bestimmte Kategorien von Anlagen Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden vor. In den Geltungsbereich der Richtlinie fallen unter anderem auch Anlagen zur Herstellung von Stoffen oder Stoffgruppen durch chemische Umwandlung im industriellen Umfang.

Gemäß IPPC-Richtlinie sind industrielle und landwirtschaftliche Tätigkeiten mit hohem Verschmutzungspotenzial genehmigungspflichtig. Diese Genehmigungen können nur erteilt werden, wenn bestimmte Umweltauflagen erfüllt sind. Dazu gehört, dass die Unternehmen gemäß dem Verursacherprinzip für die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung selbst sorgen.

Damit eine Genehmigung erteilt werden kann, müssen IPPC-Anlagen bestimmte Grundpflichten erfüllen. Diese betreffen insbesondere

  • das Ergreifen aller geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen, insbesondere durch den Einsatz der besten verfügbaren Techniken - BVT  (engl. BAT – Best Available Technique);
  • die Vermeidung erheblicher Umweltverschmutzungen;
  • die Vermeidung, Verwertung oder möglichst umweltschonende Beseitigung von Abfällen;
  • die effiziente Verwendung von Energie;
  • die Verhinderung von Unfällen und Begrenzung ihrer Folgen;
  • die Standortsanierung nach einer endgültigen Stilllegung.


Im Übrigen ist eine Genehmigung mit einer Reihe konkreter Auflagen verbunden. Diese betreffen vor allem

  • die Emissionsgrenzwerte für Schadstoffe (außer für Treibhausgase, sofern das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zur Anwendung kommt);
  • erforderliche Maßnahmen zum Schutz von Boden, Wasser und Luft;
  • Maßnahmen zur Behandlung der Abfälle;
  • Maßnahmen im Hinblick auf außergewöhnliche Bedingungen  
    (z. B. unbeabsichtigtes Austreten von Stoffen, Störungen, kurzzeitiges Herunterfahren oder endgültige Stilllegung);
  • die weitestgehende Verminderung der weiträumigen oder grenzüberschreitenden Umweltverschmutzung;
  • die Überwachung der Emissionen sowie;
  • sonstige geeignete Auflagen.
     

Als einen der Kernpunkte setzt die IPPC-Richtlinie auf das Konzept der besten verfügbaren Techniken (BVT). Diese werden für jede betroffene Branche in einem Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten, Industrie und Umweltverbänden erarbeitet und in "Merkblättern zur besten verfügbaren Technik" (engl. BREF - Best Available Technique Reference Document, deutsch: BVT-Merkblatt) festgelegt. Der Informationsaustausch wird durch das European IPPC Bureau (EIPPCB) in Sevilla koordiniert.

Die IPPC-Richtlinie wurde in Folge überarbeitet und in die Richtlinie über Industrieemissionen integriert.

Richtlinie über Industrieemissionen

Diese Richtlinie fasst die bestehende IPPC-Richtlinie, die Abfallverbrennungsrichtlinie, die Lösungsmittelrichtlinie für Anlagen, die Großfeuerungsanlagenrichtlinie sowie drei Richtlinien zur Titandioxid-Produktion zusammen und dient der weiteren Verbesserung des Umweltschutzes.

Darüber hinaus gibt es aber auch eine Reihe inhaltlicher Weiterentwicklungen im Vergleich zur vorangehenden IPPC-RL, wie vor allem:

  • Es erfolgt eine  Betonung der Anwendung des Standes der Technik gemäß den auf EU-Ebene erarbeiteten BAT-Referenzdokumenten (BREF - Best Available Techniques Reference Document). Ausnahmen vom Stand der Technik unterliegen einer öffentlichen Begründungspflicht. Weiters ergeht ein klarer Auftrag an die Kommission für einzelne Tätigkeiten EU-weite Mindestanforderungen vorzuschlagen.

  • Klarere Regelungen für den „Sevilla-Prozess“: Der Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten, Wirtschaft, NGOs und Kommission zur Erstellung der BAT-Referenzdokumente wird nun eindeutiger geregelt. Daraus erwartet man sich vor allem klarere Vorgaben für die behördlichen Genehmigungs- und Anpassungsverfahren.

  • Stärkung der Überwachung hinsichtlich  Einhaltung von Auflagen von IPPC-Anlagen: Die Richtlinie sieht dazu eine Inspektionspflicht für Mitgliedstaaten jedenfalls alle drei Jahre vor, des Weiteren eine Steigerung der Berichtspflichten für Anlagenbetreiber sowie einen fixen Zeitrahmen für die Überprüfung und Anpassung der Genehmigung nach Verabschiedung eines neuen BAT-Referenzdokuments.

  • Vereinheitlichung der Boden- und Grundwasserschutzregelungen: Es gilt nun für IPPC-Anlagen, dass bei Einstellung der Tätigkeit der Zustand bei Tätigkeitsaufnahme oder bei bestehenden Anlagen ab einem Stichtag jedenfalls der „Ausgangszustand“ wiederherzustellen ist. Darüber hinaus müssen im Regelfall Boden- und Grundwasser wiederkehrend innerhalb konkreter Maximalfristen überwacht werden.

  • Anpassung der bestehenden Mindeststandards an den Stand der Technik: Für Großfeuerungsanlagen und bestimmte Abfallverbrennungstätigen werden die Mindeststandards verschärft. Für Erstere gibt es allerdings lange Übergangsfristen.

  • Einführung gewisser Flexibilisierungen bei der Genehmigungserteilung: Beispielsweise eine Genehmigung für den gemeinsamen Betrieb einer IPPC-Anlage bzw. eine Genehmigung für mehrere Anlagenstandorte.

Durch die Neuregelungen soll einerseits ein qualitativ hochwertiger Umweltschutz gewährleistet werden, andererseits sollen derzeit bestehende Wettbewerbsverzerrungen, die durch eine ungleiche Umsetzung von Rechtsvorschriften innerhalb der EU Mitgliedstaaten verursacht wurden, beseitigt werden.

Die EU-Kommission hat in Folge am 5. April 2022 im Rahmen des EU-Green Deals ihren Entwurf zur Überarbeitung der EU-Industrieemissionsrichtlinie (IED) vorgelegt. Die Überarbeitung soll lt. EK dazu beitragen, durch Investitionen in der Industrie zum Übergang Europas zu einer schadstofffreien, wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 beizutragen. Die Überarbeitung baut auf der jetzigen Industrieemissionsrichtlinie auf, die ca. 50 000 große Industrieanlagen und Intensivtierhaltungsbetriebe in Europa abdeckt. Diese Anlagen und Betriebe müssen weiterhin durch den Einsatz von tätigkeitsspezifischen „besten verfügbaren Techniken“ (BVT/BAT) Emissionsauflagen erfüllen. Die neuen Vorschriften decken größere Emissionsquellen ab, sehen gestraffte (strengere) Genehmigungsverfahren vor, sollen die Transparenz erhöhen und Zukunftstechnologien und andere innovative Ansätze fördern. 

Aus Sicht des Fachverbandes waren die in Geltung stehenden IED-Bestimmungen und der BREF-Prozess von 2010 bis heute ein wirksames Instrument für die Reduktion von Emissionen aus industriellen Tätigkeiten. Wir sehen in bestimmten Bereichen des Regelwerks Anpassungsbedarf, sind jedoch der Überzeugung, dass sich die Grundstruktur der IED, insbesondere der integrierte Ansatz und der Einsatz der besten verfügbaren Techniken, für große Industrieanlagen bewährt hat und die Erhaltung dieser Struktur von entscheidender Bedeutung für die weitere Verbesserung der Umweltperformance von Industrieanlagen in Europa ist. Der ExpertInnen-basierte Sevilla Prozess soll daher bestehen bleiben. Eine Balance zwischen steigenden Umweltambitionen und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit soll anvisiert werden. Außerdem muss die globale Wettbewerbsfähigkeit verstärkt im zukünftigen Prozess der IED verankert werden.

Der Legislativvorschlag wird nun im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahren von EU-Parlament und Rat bearbeitet. Nach endgültiger Annahme durch das Europäische Parlament haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. 

Überarbeitung der Richtlinie über Industrieemissionen

Im Rahmen des Europäischen Green Deals wurde auch die EU-Industrieemissionsrichtlinie (IED) einem Revisionsprozess unterzogen.

Die Europäische Kommission veröffentlichte dazu im April 2022 einen entsprechenden Änderungsvorschlag der Richtlinie. Nach intensiven Verhandlungen wurde die Richtlinie (EU) 2024/1785 zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) und der Richtlinie 1999/31/EG des Rates über Abfalldeponien am 15. Juli im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Richtlinie muss in Folge bis 1. Juli 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu ist unter anderem eine Anpassung der Gewerbeordnung, des Wasserrechtsgesetzes (WRG), des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) und des Mineralrohstoffgesetzes (MinroG) notwendig.

Um die Industrieemissionen weiter zu verringern, werden mit der überarbeiteten Richtlinie mehr große Intensivtierhaltungsbetriebe in den Anwendungsbereich aufgenommen. Bergbautätigkeiten und Batterieherstellung in großem Maßstab fallen nun ebenfalls darunter. Für die chemische Industrie ggf. von Relevanz ist die explizite Aufnahme von „6.6. Wasserelektrolyse zur Wasserstofferzeugung mit einer Produktionskapazität von über 50 t pro Tag.“ in den Geltungsbereich der IED. Vorbehaltlich einer Überprüfung durch die Kommission kann der Anwendungsbereich auch auf Industrieminerale ausgeweitet werden.

Die Behörde soll, unter Berücksichtigung der gesamten Bandbreite der BVT-assoziierten Emissionswerte sowie medienübergreifender Auswirkungen, die strengstmöglichen Grenzwerte vorschreiben. Die Anlagengenehmigung nach IED soll außerdem auch verbindliche Bandbreiten für die Umweltleistung gemäß den BVT-Schlussfolgerungen sowie verbindliche Umweltleistungsgrenzwerte für Wasser und indikative Umweltleistungswerte für Abfälle und Ressourcen festlegen.

Unternehmen müssen außerdem für jede IED-Anlage ein Umweltmanagementsystem einführen. Die zu berücksichtigenden Aspekte finden sich in den jeweiligen BVT-Schlussfolgerungen. Darin muss auch ein indikativer (rechtlich unverbindlicher) Transformationsplan enthalten sein. Dieser muss Informationen zu den Maßnahmen beinhalten, die der Betreiber im Zeitraum 2030-2050 in der Anlage ergreifen wird.

Darüber hinaus wird ein Krisenmechanismus eingerichtet, der etwa im Falle von Energieversorgungs- oder Ressourcenknappheit zeitlich und örtlich begrenzte Ausnahmen von Grenzwerten ermöglicht. Jedenfalls muss es sich um außergewöhnliche Umstände außerhalb der Kontrolle des Anlagenbetreibers und des Mitgliedstaates handeln und alle anderen Maßnahmen müssen bereits ausgeschöpft sein.

Durch die neue Richtlinie soll auch die Genehmigungserteilung effizienter und weniger aufwendig werden. Die Mitgliedstaaten werden hierzu verpflichtet, bis 2035 ein System für elektronische Genehmigungen einzurichten.

Bei schweren Verstößen können Betreiber zur Zahlung von Sanktionen in Höhe von mindestens 3% ihres EU-weiten Jahresumsatz verpflichtet werden. Mit der Richtlinie wird ferner für Personen, deren Gesundheit beeinträchtigt wurde, das Recht eingeführt, bei Verstößen Schadenersatz zu verlangen.

Das sog. Innovationszentrum für industrielle Transformation und Emissionen (INCITE) wurde ebenfalls bereits geschaffen. Es soll Informationen zu IED-relevanten Zukunftstechnologien erheben und analysieren.

Im Jahr 2028 (und danach alle 5 Jahre) wird die Kommission die Umsetzung der Richtlinie unter Berücksichtigung von Zukunftstechniken überprüfen und bewerten.

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